Jeden Gottesdienst war er im Einsatz, um Münzen einzusammeln und das über 290 Jahre lang. Es blieb daher nicht aus, dass die Zeit ihre Spuren an ihm hinterlassen hat. Der Stoff ist teilweise verschlissen, die gestickten Verzierungen sind lose oder schadhaft geworden. In den letzten Jahren ausrangiert fand er daher wenig Beachtung. Bei einem Besuch in der Kirchengemeinde fiel er uns auf und konnte nach Rücksprache mit dem Kirchenvorstand der Textilrestauratorin Eva Kümmel aus Lübeck übergeben werden. Sie nahm sich dem Klingelbeutel an, so dass er nach seiner konservatorischen Behandlung bei sachgerechter Aufbewahrung auch zukünftigen Generationen gezeigt werden kann. Einen erneuten Einsatz erlaubt sein Zustand jedoch nicht mehr.
Der Klingelbeutel besteht aus einem runden mit barocken Blattranken und der Jahreszahl 1724 gravierten Metallrahmen mit Tülle für die Halterstange und dem eigentlichen textilen Beutel, der an den Metallrahmen angenäht ist. Das untere Ende der hölzernen Stange ist kunstvoll gedrechselt.
Der Beutel besteht aus vier zusammengesetzten Teilen aus rotem Samt, der bestickt ist mit Sprengarbeit aus versilberten Metalldrähten. Darunter versteht man erhabene Stickereien, die über aufgelegten Pergamentstreifen geführt werden. Silberne Kordeln decken die Nähte ab. Eine gewebte Borte aus silbernen Fäden bildet den oberen Rand.
Auf der einen Seite des Klingelbeutels ist ein Monogramm aus den Buchstaben AEF unter einer Krone zu sehen, während auf der gegenüberliegenden Seite das Lamm Gottes mit der Fahne aufgestickt ist. Beide Motive werden von stilisierten Blatt-Blütenzweigen eingefasst. Leider fehlt der zu erwartende untere Abschlußbommel. Auch ist nur noch eine von ehemals zwei namengebenden Glöckchen an der Halterung vorhanden.
Das Almosengeben gehörte zu den christlichen Pflichten. Nicht nur seit der Reformation wurde in jedem Gottesdienst – früher oftmals während der Predigt - Geld für die Armen oder Bedürftigen in der Gemeinde gesammelt. Dies geschah und geschieht heute noch mit Hilfe von Klingelbeuteln. Mitglieder des Kirchenvorstands oder andere Helfer gingen bzw. gehen von Bank zu Bank und hielten den Klingelbeutel den Gottesdienstbesuchern buchstäblich vor die Nase. Waren diese unaufmerksam oder gar eingeschlafen, mahnte das Glöckchen seine Pflicht zu tun und einen Obolus in den Beutel zu werfen. In einigen Kirchen gab es deshalb massive Beschwerden, da durch das ständige Klingeln die Predigt nicht mehr verfolgt werden konnte. Meist waren es Kleinmünzen, die eingeworfen wurden, ganz zu schweigen von den „Ersatzmünzen“.
Der Kolenfelder Klingelbeutel wurde von einer Person gestiftet, deren Anfangsbuchstaben ihres Namens zwar man noch kennt, die sich jedoch nicht mehr auflösen lassen. Der prächtige Klingelbeutel dürfte wegen der aufwändigen Dekortechnik in der Anschaffung nicht günstig gewesen sein. In der Kirchengemeinde ist er daher auch über Generationen geschätzt worden. In einigen Kirchen gab es extra schmale hohe Schränke, in die man die Klingelbeutel verwahrte. Heute gehört er zu einer sehr überschaubaren Gruppe von Klingelbeuteln aus dem 18.Jh., die sich in der Landeskirche erhalten haben.
Der Kirchenvorstand war und ist sich seiner Verantwortung bewusst, kirchliche Kunst- und Kulturobjekte zu bewahren, was er am Beispiel des Klingelbeutels - mit Unterstützung des Kunstreferates der Landeskirche – wieder unter Beweis gestellt hat.
Dr. Thorsten Albrecht
Kunstreferent der Ev. luth. Landeskirche Hannovers